Das Hilfswerk Misereor hat im Oktober 2014 einen Bericht „Harvesting Hunger – Plantation Workers and the Right to Food” (Hunger ernten –Plantagenarbeiter und das Recht auf Nahrung“) vorgelegt. Der Bericht greift ein wichtiges Thema auf: die nach wie vor herrschende unzureichende (finanzielle) Lebenssituation der Arbeiter insbesondere in den Ländern der südlichen Hemisphäre. Am Beispiel von Teeplantagen wird die Situation konkretisiert. Kritisiert wird unter anderem die Arbeit der Rainforest Alliance, die in den letzten Jahren durch Zusammenarbeit mit einigen der größten Teeanbauer und -exporteure eine verifizierbare Grundlage für einen nachhaltigen Teeanbau geschaffen hat und durch deren Arbeit mittlerweile rund 15 Prozent des globalen Teemarktes aus zertifiziertem Anbau stammen.
Trotz dieses Erfolges bleibt die Aufgabe komplex, und wir stehen immer wieder vor Herausforde-rungen, die sich nicht ohne Zusammenwirken weitere Stellen, u. a. Unterstützung von Regierungen, anderen NGOs etc. bewältigen lässt. Gerade für die Herausforderungen des sozialen Sektors, Sicherung der Arbeitsrechte und des Arbeitsschutzes, braucht es – so unsere Erfahrung und die vieler unserer Partner – einen langen Atem, bis sich geforderte Änderungen einstellen und oftmals tradierte Verhaltensweisen hierarchisch geprägter Gesellschaften überwunden werden können. Diskriminierungen von Frauen und ethnischen Minderheiten bis hin zu gewalttätigen Übergriffen sind häufig Tabuthemen selbst für die Betroffenen. Hinzu kommen Korruption und ein häufig noch herrschendes Analphabetentum, was die Wahrnehmung eines vorhandenen Beschwerdewesens zusätzlich erschweren, wenn nicht gar hemmen kann. Auch dies sind die Bedingungen, denen sich ein idealerweise in allen Fällen wirksames Kontrollsystem zu stellen hat und das von allen Beteiligten jederzeit akzeptiert und mitgetragen wird.
Wie MISEREOR richtig darlegt, gibt es in den meisten Ländern eine Gesetzgebung, die auch (Mindest-)Löhne regelt. Doch häufig ist auch der Mindestlohn kein existenzsichernder Lohn. Die kommende aktualisierte Fassung des SAN-Standards für Nachhaltige Landwirtschaft (SAN Standard Sustainable Agriculture Rainforest Alliance Certified) wird dem Rechnung tragen. Sie befindet sich derzeit in abschließender Revision. Der SAN-Standard wird u. a. das komplexe Feld „Living Wage“ – existenzsichernder Lohn – adressieren und damit ein vordringliches Problem auf der weiteren Agenda angehen. Die Anstrengungen des SAN und der Rainforest Alliance unterstützen dabei in vollem Umfang die Living-Wage-Initiative einiger der in der Dachorganisation der Standard setzenden Organisationen ISEAL zusammengeschlossenen Organisationen, namentlich Fairtrade, FSC, goodweave, SAI, SAN/RA, UTZ Certified. Diese haben sich verpflichtet zu einer gemeinschaftlichen, von allen getragenen Definition und der Entwicklung einer Methode zur Kalkulation eines Living Wage.
Hieraus sind bereits erste Umsetzungen in die Praxis und zugehörige Leitfäden entstanden, u.a. unter Mitwirkung der Rainforest Alliance für die Teeindustrie in Malawi.
Wie auch Misereor im zitierten Bericht anmerkt, gibt es praktisch keine staatlichen oder institutionellen Vorgaben dazu, was einen „Lohn zum Leben“ ausmacht. Die Mitgliedsorgani-sationen des SAN, u.a. die Rainforest Alliance, schlagen deshalb einen integrierten Ansatz vor: Er bringt die Lebensgrundlage der Farmer, die Nachhaltigkeit der Farm und die Lebensqualität der Farmarbeiter und ihrer Familien in Balance und berücksichtigt Ausgaben für den Lebensunterhalt ebenso wie Rücklagen bilden zu können. Um aktuelle Entwicklungen, neuen Erkenntnissen und Erfordernissen Rechnung zu tragen, wird der SAN-Standard durch ein Expertengremium unterschiedlicher Disziplinen inhaltlich begleitet und regelmäßig einer Revision unterzogen.
Derzeit laufen noch die öffentlichen und damit allen Stakeholdern zugänglichen Konsultationen für die Revision des SAN-Standards. Auch Misereor ist eingeladen, sich mit profunden Anregungen zu Wort zu melden. So erreichen wir unser Ziel am ehesten: Eine breite von allen Stakeholdern getragene Grundlage für einen Living Wage zu definieren und diesen möglichst schnell in die Umsetzung zu bringen.