VerbraucherInnen und Unternehmen sind heute sensibler denn je, wenn es darum geht, das Risiko von Menschenrechtsverletzungen in globalen Lieferketten – einschließlich Kinderarbeit und Zwangsarbeit – zu erkennen. Unternehmen reagieren darauf mit menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten (siehe als Beispiel den CSR-Bericht von JDE). Zu diesen Bemühungen gehören die Kartierung ihrer Lieferketten, die Bewertung ihrer Risiken und die Risikominderung. Erreicht wird dies durch die Zusammenarbeit mit Lieferanten, die Überwachung ihrer Lieferketten und Investitionen in Präventivmaßnahmen. Treten Problemfälle auf, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet.
Strenge Menschenrechtsstandards
Das Zertifizierungsprogramm der Rainforest Alliance ist ein wichtiges Instrument, um Unternehmen bei der Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zu unterstützen. Die Ziele der zertifizierten FarmerInnen und die der KäuferInnen in unserem Programm ergänzen einander. FarmerInnen wollen, dass ihre Kinder sicher leben können und eine Schulbildung erhalten. Landwirtschaftliche ArbeiterInnen wollen einen fairen Lohn und unter sicheren Bedingungen frei von Ausbeutung arbeiten. FarmerInnen wollen nachhaltig produzieren, um bessere Preise für ihre Erzeugnisse zu erzielen. Und Unternehmen wollen sicher sein, dass ihre Geschäftspartner Menschenrechte achten und Arbeitsgesetze einhalten, die das Risiko von Kinder- und Zwangsarbeit in ihren Lieferketten reduzieren sollen. Deshalb stellt unser Standard für nachhaltige Landwirtschaft 2020 strenge Anforderungen an die Einhaltung der Menschenrechte.
Darüber hinaus verfolgen wir einen risikobasierten Ansatz, um Unternehmen bei ihren Bemühungen zu unterstützen. Unser Ansatz steht im Einklang mit internationalen Vorgaben wie den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen.
Manche Länder und Sektoren weisen ein höheres Risiko für Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- und Zwangsarbeit auf. Daher haben wir die Umsetzung und Überprüfung der Anforderungen unseres Standards auf die Risikoexposition der einzelnen Farmbetriebe abgestimmt. Das bedeutet, dass wir von landwirtschaftlichen Betrieben in Hochrisikoländern oder -sektoren eine erhöhte Wachsamkeit erwarten, um Probleme wie Kinder- und Zwangsarbeit zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Darüber hinaus prüfen AuditorInnen besonders genau, ob ein entsprechender Maßnahmenkatalog vorliegt.
Kartierung der Risiken
Die sektoralen Risikokarten der Rainforest Alliance für Kinder- und Zwangsarbeit (Rainforest Alliance Child Labor and Forced Labor Sector Risk Maps) sind ein Kernelement unseres risikobasierten Ansatzes. Die Methodik haben wir seit 2019 zusammen mit der auf Menschenrechte spezialisierten Beratungsfirma Ergon Associates entwickelt. In diese Methodik flossen Anregungen unserer Außendienstteams und Experten für Kinder- und Zwangsarbeit mit ein. Die Risikokarten basieren auf Schlüsselindikatoren zum Auftreten von Kinder- und Zwangsarbeit. Diese Indikatoren stammen aus Indizes – von denen die meisten öffentlich zugänglich sind – und aus den eigenen Untersuchungen der Rainforest Alliance.
Berechnung der Risiko-Scores
Wir berechnen den Risiko-Score auf Länderebene anhand folgender Faktoren:
- „Strukturelle“ Faktoren, die wir aus Daten der jeweiligen Länder zum regulatorischen und sozioökonomischen Umfeld ableiten. Dafür ziehen wir internationale Indizes von der Weltbank, den Vereinten Nationen und anderen international anerkannten Quellen heran. Diese machen 40 % des Risiko-Scores aus.
- „Risiken in der Praxis“, Indikatoren, die spezifisch für den jeweiligen Sektor in jedem Land sind. Diese Indikatoren beruhen auf Forschungsberichten von Regierungen, NGOs, multilateralen Organisationen, Universitäten, Nachrichtenagenturen und den eigenen Daten der Rainforest Alliance. Diese machen 60 % des Risiko-Scores aus.
Die Risikoniveaus stellen wir nach Ländern und Rohstoffen dar, beginnend mit unseren vier vorrangigen Sektoren: Kaffee, Tee, Kakao und Bananen. Dabei ist zu beachten, dass die Risikoanalyse der Länder und Rohstoffsektoren jeweils auf Daten auf Landesebene basieren. Die Analyse kennzeichnet somit ein allgemeines Risikoniveau für das gesamte Land, nicht ein spezifisches Risikoniveau für einen bestimmten Farmbetrieb. Im Umkehrschluss soll das jedoch nicht bedeuten, dass in Ländern und Sektoren mit nur einem geringen Risikowert keine Fälle von Kinder- oder Zwangsarbeit auftreten. Ein niedriger Wert besagt lediglich, dass die strukturellen und systembedingten Risiken gering sind. Das folgende Diagramm veranschaulicht, wie wir mithilfe verschiedener Parameter den Länderrisiko-Score bestimmen. Die ausführliche Methodik dazu findet sich in unserem Leitfaden Guidance Briefing and Method Note (auf Englisch).
Für jede Länder- und Sektorenkombination geben wir die Gefahr von Kinder- oder Zwangsarbeit in drei Risikostufen an: niedrig, mittel und hoch. Diese Stufen bestehen aus einem Punktwert von 0 bis 10. Werte im unteren Drittel (d. h. unter 3,3) stehen für ein geringes Risiko. Die Werte in der Mitte (zwischen 3,3 und 6,7) bedeuten ein mittleres Risiko. Die Werte im oberen Drittel (über 6,7) weisen auf ein hohes Risiko hin. Die ausführlichen Berechnungen des Risiko-Scores sind in unserem Datenblatt zu finden.
Risiko-Scores als Grundlage für Maßnahmen
Bedeutung der risikokarten für farmbetriebe
In Ländern und Sektoren, die in den Risikokarten mit einem mittleren oder hohen Risiko bewertet wurden, müssen die Betriebe zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um diese Risiken zu erkennen und einzudämmen. Wurden durch das Farm Risk Assessment Tool Risiken erkannt, sind die Betriebe angehalten, eine strengere Überwachung und gezieltere Maßnahmen zur Risikominderung einzuleiten. Dazu gehört, die Gründe zu ermitteln, warum Kinder vom Schulunterricht fernbleiben sowie eine engere Zusammenarbeit mit Arbeitgebern bei der Einhaltung von Arbeitsrechten. Die Rainforest Alliance hält für ZertifikatsinhaberInnen einen Leitfaden zum Umsetzen solcher Prozesse bereit.
In der Folge werden für Farmbetriebe in Ländern und Sektoren mit mittlerem und hohem Risikoniveau mit der Zeit verbindliche Auflagen für Verbesserungsmaßnahmen festgelegt. So müssen etwa landwirtschaftliche Betriebe und Kooperativen in solchen Risikogebieten gewährleisten, dass alle Mitglieder der Kooperative und ArbeiterInnen eine Schulung zum Thema Kinder- und Zwangsarbeit erhalten. Zum Zertifizierungsprogramm gehört auch, dass die Betriebe und Kooperativen die Schulbildung jedes Kindes in diesen Betrieben aktiv fördern müssen.
Zusätzlich müssen Prüfstellen (CB), die Audits für die Rainforest Alliance durchführen, die Risiko-Scores berücksichtigen. In Ländern und Sektoren mit hohem Risiko müssen die Prüfstellen ihren Auditplan entsprechend erweitern, etwa durch intensivere Befragungen der ArbeiterInnen beim Audit.
Bedeutung der risikokarten für unternehmen
Risikokarten sind ein wichtiges Instrument, um Unternehmen bei der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zu unterstützen. Ein höheres Risiko bedeutet nicht, dass Unternehmen bestimmte Länder oder Sektoren meiden sollten. Der Risiko-Score weist darauf hin, dass aktive Maßnahmen zur Wahrung der Sorgfaltspflicht in diesen Bereichen ergriffen werden müssen. Der Kauf von Rainforest Alliance-zertifizierten Produkten ist eine Möglichkeit für Unternehmen, die Risiken zu mindern.
Insgesamt sind die sektoralen Risikokarten der Rainforest Alliance für Kinder- und Zwangsarbeit Teil unseres verbesserten Kontrollsystems. Wir sind der Überzeugung, dass unser Zertifizierungssystem durch den risikobasierten Ansatz und die Audit-Anforderungen besser auf lokale Gegebenheiten eingeht und es dadurch effizienter und wirksamer ist.
Haben Sie Anmerkungen oder möchten Sie uns ergänzend dazu etwas mitteilen? Gerne per E-Mail an CustomerSuccess@ra.org.
Bei Fragen verweisen wir Sie auf die ausführlichen FAQs (in englischer Sprache) am Ende dieser Seite.
Hinweis: Diese Risikokarten stellen Risiken auf Länderebene dar und nicht auf regionaler Ebene oder nur für bestimmte ErzeugerInnen. Sie stützen sich teilweise auf Daten, die von Dritten zur Verfügung gestellt wurden, und werden fortlaufend überprüft und verfeinert. Der Zweck dieser Risikokarten ist, Maßnahmen zur Risikominderung an den jeweiligen Kontext anzupassen und Anforderungen und Kontrollmaßnahmen je nach Risikostufe anzugleichen. Die Risikokarten zeigen nicht an, ob in einem Land die angegebenen Probleme bestehen oder nicht. Ebenso sind sie nicht als Grundlage für Beschaffungsentscheidungen oder andere Zwecke gedacht.
Diese Dokumente und sein Inhalt wurden von der Rainforest Alliance verfasst und sind unter https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0 lizenziert.