Aktuell findet die bundesweite Faire Woche statt. Gefördert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht es diesmal um die Geschlechtergerechtigkeit und das Motto „Gleiche Chancen durch Fairen Handel“. Denn Frauen und Mädchen sind in vielen Ländern am Arbeitsplatz und im alltäglichen Leben immer noch benachteiligt.
Mangelnde Teilhabe, Geschlechterungerechtigkeit, fehlende Gleichberechtigung
Die kürzlich veröffentliche Studie der Organisation Equal Measures 2030 (EM2030 SDG Gender Index) zeigt, dass fast 40 Prozent der Mädchen und Frauen weltweit in Ländern leben, in denen die Gleichstellung der Geschlechter nicht gewährleistet ist. Gerade in Südostasien und Afrika sind Mädchen und Frauen stark benachteiligt, wenn es um Bildung, Arbeit, Einkommen und Sicherheit geht. Mädchen dürfen oft keine Schulen besuchen und sind stärker von Hunger betroffen, sie sind häufiger Opfer sexualisierter Gewalt und erledigen öfter unbezahlte Tätigkeiten. Gleichzeitig ist in diesen Ländern die Landwirtschaft, vor allem der Kakao- und Kaffeeanbau, ein wichtiger Faktor, um den eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Sei es als Arbeiterin auf dem Feld, bei der Ernte oder Produktion oder als Farmerin innerhalb eines Familienbetriebes.
Weltweite Ernährungssicherheit hängt von Frauen ab
Weltweit betrachtet gibt es etwa 560 Millionen Arbeiterinnen in der Landwirtschaft. Damit stellen sie etwa 43 Prozent der gesamten Arbeitskraft in diesem Bereich. Dies gilt vor allem für Südostasien – hier sind etwa 70 Prozent der landwirtschaftlichen Arbeiter weiblich – und für Subsahara-Afrika. In dieser Region sind etwa 60 Prozent aller landwirtschaftlichen Arbeitskräfte Frauen. So sind sie ein wichtiger Grundpfeiler für die globale Lebensmittelwirtschaft einer wachsenden Weltbevölkerung und leisten einen enormen Beitrag, um die weltweite Ernährungssicherheit sicherzustellen.
Mangelnde Gleichberechtigung in über 90 Ländern
Doch Frauen mangelt es in über 90 Ländern an Geschlechtergerechtigkeit, in der Landwirtschaft sind sie vor allem mit drei Herausforderungen konfrontiert: soziale Normen und Werte in ihrer Gesellschaft verhindern, dass sie Zugang zu Bildung und Einkommen haben. Ihnen werden außerdem aufgrund rechtlicher oder kultureller Aspekte oft Zugang und Besitz zu Land verwehrt. Dadurch können sie sich kaum in landwirtschaftlichen Genossenschaften organisieren und sind selten an strategischen und wichtigen Entscheidungen beim Kakao- und Kaffeeanbau beteiligt. Außerdem haben Frauen oft mit vielen Doppel- und Mehrfachbelastungen zu kämpfen. Neben der Arbeit auf dem Feld, sind sie auch für den Haushalt, die Ernährung der Familie und für die Kindererziehung zuständig.
Gleiche Rahmenbedingungen für Frauen können Kindersterblichkeit und Klimawandel reduzieren
Doch Frauen könnten laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, 20 bis 30 Prozent mehrErnteertrag erzielen. Vorausgesetzt, sie leben und arbeiten zu den gleichen Rahmenbedingungen. Sie können dies nur erreichen, wenn sie den gleichen Zugang zu Bildung, Finanzierung und Besitzrechten haben wie Männer. Außerdem setzen sich Frauen stärker für die Umwelt und ihre Familie ein, wenn sie Verantwortung übernehmen dürfen. In der Landwirtschaft investieren sie im Vergleich mehr in nachhaltige landwirtschaftliche Anbaumethoden und innerhalb ihrer Familien in die Gesundheit und Bildung der Kinder. Welche weitreichenden Auswirkungen gleiche Rahmenbedingungen haben können, zeigt etwa die Kindersterblichkeitsrate. Diese könnte um bis zu 20 Prozent sinken, würden Frauen stärker am wirtschaftlichen Leben teilnehmen können.
Auch der Klimawandel wird durch Geschlechtergerechtigkeit beeinflusst. Da Frauen, wie erwähnt, eher in nachhaltige Anbaumethoden investieren, tragen sie zu einem wesentlichen Teil zur Reduzierung der Folgen des Klimawandels bei. Dies hat der Weltklimarat in einem aktuellen Bericht (IPCC– Intergovernmental Panel on Climate Change) noch einmal bestätigt. Damit sind Frauen in der Landwirtschaft ein enorm wichtiger Faktor für das Gleichgewicht unseres gesamten Ökosystems und unsere Ernährungssicherheit.
Wie wir uns für Gleichberechtigung engagieren
Die Rainforest Alliance ist sich dieser Herausforderungen bewusst und engagiert sich daher noch intensiver für die Gleichberechtigung in der Landwirtschaft. 2020 stellen wir zudem einen neuenZertifizierungsstandard vor. Dieser untersucht und überprüft geschlechterspezifische Ungleichheiten noch stärker. Gleichzeitig unterstützen wir Betriebe dabei, eine Geschlechtergerechtigkeit zu etablieren.
Das bedeutet, wir kontrollieren nicht nur, wie Farmen und Betriebe ihre Rohstoffe anbauen. Wir kontrollieren auch, unter welchen Rahmenbedingungen Frauen in den Betrieben arbeiten. Dürfen sie an Schulungen teilnehmen, dürfen sie mitentscheiden, sind sie auch in Führungspositionen vertreten. Dürfen sie zum Beispiel als Ausbilderinnen und Inspektorinnen tätig sein und werden ihre Rechte gewahrt. Hierbei prüfen wir unter anderem auch ihre Entlohnung und ob sie befristete oder unbefristete Arbeitsverträge erhalten.
Unser Ziel: Frauen müssen zu den gleichen Rahmenbedingungen leben und arbeiten können
Wenn wir diese Informationen sammeln, können wir konkret erkennen, an welchen Stellen noch Verbesserungsbedarf besteht und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Langfristig können wir dann konkret messen, inwiefern unsere Maßnahmen die Situation für Frauen in der Landwirtschaft verbessert haben und wo wir nochmal nachjustieren müssen. Unser Ziel ist es, dass Frauen den gleichen Zugang zu Informationen, Finanzmitteln und Einkommen als auch zu Führungspositionen haben. Und unser Ziel ist erst dann erreicht, wenn Männer und Frauen in diesen Bereichen in der Landwirtschaft vollkommen gleichgestellt sind.
Wie können Frauenrechte gestärkt werden
Neben sehr vielen Maßnahmen und Projekten zur Gleichberechtigung, die wir unterstützen, ist der Grundbesitz ein besonders wichtiges Thema. Selbst wenn Farmerinnen ihr Leben lang das gleiche Land bewirtschaften, so sind sie in der Regel nicht die Landbesitzerinnen. Gesellschaftliche Normen verbieten dies oftmals. Landbesitz ist jedoch unbedingt notwendig, um einer landwirtschaftlichen Genossenschaft beitreten zu können. Diese Mitgliedschaft ist wiederum wichtig, um Kredite für Düngemittel, Pflanzen, Saatgut oder Bewässerungssysteme zu bekommen und letztlich auch, um sich am Transport und der Vermarktung von Kaffee oder Kakao zu beteiligen. In Ghana setzen wir uns zum Beispiel gemeinsam mit lokalen Partnern dafür ein, dass Männer geringere Mitgliedsbeiträge in den Genossenschaften zahlen, wenn sie ihren Frauen einen Teil ihres eigenen Landes abgeben.
Gleichberechtigung können wir nur gemeinsam erreichen
Trotz aller Anstrengungen werden Zertifizierungsprogramme alleine die Hürden bei der Gleichberechtigung allerdings nicht beseitigen. Es ist wichtig, dass viele unterschiedliche Interessensgruppen gemeinsam an einem Strang ziehen. Angefangen von gemeinnützigen Organisationen und Stiftungen, über Unternehmen bis hin zur Politik. Um alle Gruppen an einen Tisch zu bringen, haben wir das sogenannte Sektorpartnerschaftsprogramm ins Leben gerufen.
Beispielsweise arbeiten wir mit den „Women in Coffee Chapters“ in Kenia, Uganda und Honduras zusammen. Die Initiative unterstützt Frauen dabei, sich mit relevanten Akteuren im Kaffeesektor zu vernetzen. In Indonesien kooperieren wir mit der NGO Kalimajari, um Frauen beim Austausch und der Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung zu helfen.
Gleichzeitig arbeiten wir mit der Organisation „Partnership for Gender Equity“ (PGE) vom „Coffee Quality Institute“ daran, die Voraussetzungen für Farmerinnen und ihre Familien in Nicaragua zu verbessern.
Gleichberechtigung fängt bei jedem Einzelnen an!
Außerdem unterstützen wir die „International Women’s Coffee Alliance“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Beteiligung von Frauen in allen Aspekten der Kaffeeindustrie zu fördern und anzuerkennen. Nach dem Motto „Strong Women = Strong Coffee“ unterstützt sie Projekte in 22 Ländern auf nahezu allen Kontinenten. Und ganz nebenbei: Die Organisation sucht immer mal wieder nach ehrenamtlichen Helfern – auch von Zuhause aus.
Es gibt also noch einiges zu tun auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit in der Landwirtschaft. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Helft uns dabei, die Welt für alle Menschen, unabhängig ihrer Geschlechteridentität, ein wenig zu verbessern.