Es gibt unterschiedliche Definitionen des Begriffes „nachhaltige Landwirtschaft“, doch im Grunde geht es darum, den gegenwärtigen Bedarf zu decken, ohne den zukünftigen dafür zu opfern – also um eine Landwirtschaft, die ökologisch tragfähig, sozial verantwortlich und einträglich für BäuerInnen ist. Nachhaltige Landwirtschaft strebt nach den besten langfristigen Ergebnissen für Wälder, Klimastabilität, Menschenrechte und Lebensunterhalt.
Warum ist es so dringend, dass Landwirtschaft nachhaltiger wird?
Angesichts einer Weltbevölkerung, die vermutlich bis zum Jahr 2050 auf nicht weniger als 9,8 Milliarden Menschen anwachsen wird, werden BäuerInnen mehr Lebensmittel produzieren müssen als je zuvor. Unglücklicherweise verschlechtern konventionelle landwirtschaftliche Methoden das Land, so dass die Ernteproduktivität im Laufe der Zeit sinkt – was KleinbäuerInnen dazu verleiten kann, Wälder in ihrer Nähe zu schlagen, um neue fruchtbare Anbauflächen zu gewinnen. Wenn auf einigen Hektar Land Bäume gefällt werden, führt das wohl nicht zu dem massiven Treibhauseffekt, der für den Klimawandel verantwortlich ist – diese zweifelhafte Ehre gebührt der industriellen Landwirtschaft, die in großem Stil Soja und Palmöl anbaut – aber kleinbäuerliche Betriebe können so nicht gerettet werden. Wenn wir die Bedürfnisse einer explodierenden Bevölkerung decken wollen – und kleinbäuerliche Betriebe Familien ernähren sollen – müssen alle BäuerInnen auf nachhaltige Landwirtschaft umsteigen.
Nachhaltigkeit ist ein Prozess: Zunächst verzichten BäuerInnen auf die Methoden mit den schädlichsten Auswirkungen, z. B. Abholzung und Zwangsarbeit, dann wenden sie sich der Wiederherstellung des Bodens und der Verbesserung ihrer Einkommen zu. Der Rainforest Alliance Standard für nachhaltige Landwirtschaft stellt einen praktischen Nachhaltigkeits-Fahrplan für BäuerInnen zur Verfügung.
Schlüsselelemente der nachhaltigen Landwirtschaft
Walderhaltung und Agroforstwirtschaft
Die Landwirtschaft ist verantwortlich für 80 Prozent der Entwaldung des tropischen Regenwalds. Je mehr Wälder wir dem Erdboden gleichmachen, desto schneller vollzieht sich der Klimawandel. Das sind keine guten Nachrichten, schon gar nicht für KleinbäuerInnen, deren Ernten von Dürren, Überschwemmungen, Ungeziefer und Krankheiten vernichtet werden können. Die Abholzung zu stoppen ist ein entscheidender Schritt, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten.
Es geht aber nicht nur darum, die Entwaldung zu stoppen, sondern auch neue Bäume zu pflanzen, so dass landwirtschaftliche Betriebe nachhaltiger werden. Glücklicherweise wachsen einige Pflanzen, wie Kaffee und Kakao, sehr gut unter dem Schatten größerer Bäume. Die Pflege von Waldbeständen und das Pflanzen neuer Bäume in direkter Umgebung der Nutzpflanzen – eine Methode, die als Agroforstwirtschaft bekannt ist – kann viele Vorteile mit sich bringen. Bäume auf einem landwirtschaftlichen Betrieb können verbliebene Waldstücke miteinander verbinden, so dass wandernde Arten davon profitieren. Ein Schutzdach reguliert die Temperatur und Luftfeuchtigkeit, während viele Arten von Schattenbäumen den Boden verbessern. Früchte tragende Schattenbäume wie Bananen und Mangos können zusätzliches Einkommen generieren. Darüber hinaus schmeckt Kaffee von Schattenwald-Farmen besser, da er langsamer reift und dabei komplexe Aromen entwickelt.
Bessere Einkommen für BäuerInnen
Landwirtschaft verdient nur dann den Namen „nachhaltig“, wenn BäuerInnen ihre Familien davon ernähren können. Zum Glück verbessern viele Methoden, die das Einkommen der BäuerInnen steigern, auch die Gesundheit unserer Erde. Natürliche Schädlingskontrolle und Unkrautbekämpfung reduzieren beispielsweise die Notwendigkeit schädlicher Pestizide und senken damit Kosten. Das Pflanzen von Obstbäumen auf Farmen kann BäuerInnen ein weiteres Produkt zum Verkauf zur Verfügung stellen, Kohlenstoff wird gebunden und Böden genährt.
Die Wirtschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Einkommensverbesserung für BäuerInnen. Unternehmen können BäuerInnen dabei helfen, die Investitionskosten für die Einführung nachhaltiger Methoden aufzubringen, und mehr für Ernten zahlen, die nachhaltiger produziert wurden.
Bessere Löhne und Arbeitsbedingungen
Während die meisten kleinbäuerlichen Betriebe von Familien oder Gemeinschaften bewirtschaftet werden, stellen größere Farmen viele ArbeiterInnen ein. Es ist entscheidend, dass ArbeiterInnen ein Recht auf Vereinigungsfreiheit bekommen, so dass sie sich organisieren und bessere Löhne und Arbeitsbedingungen aushandeln können. Ebenso müssen gewaltige, tief verankerte Probleme wie Kinderarbeit und Zwangsarbeit adressiert werden. Die Arbeit hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bedeutet, dass Systeme installiert werden, die diese Probleme identifizieren und Abhilfe schaffen.
Eine angemessene Unterkunft, persönliche Schutzausrüstung für ArbeiterInnen, Mutterschaftsschutz sowie Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sind ebenso wichtig. ArbeiterInnen sollten wenigstens einen Mindestlohn erhalten, Arbeitgeber sollten letztendlich einen so genannten existenzsichernden Lohn zahlen – ein Arbeitsentgelt, das einen angemessenen Lebensunterhalt sicherstellt und Nahrung, Wasser, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung, Transport, Kleidung und andere wesentliche Bedürfnisse deckt, darunter auch Rücklagen für unerwartete Ereignisse.
Maximierung der Bodengesundheit und der Kohlenstoffspeicherung
Was könnte wichtiger für BäuerInnen sein als ein gesunder Boden? Je gesünder der Boden ist, desto besser hält er Feuchtigkeit, so dass Pflanzen Dürreperioden besser überstehen. Ein gesunder Boden führt auch zu höheren Ernteerträgen und lindert die ökonomische Verzweiflung, die BäuerInnen dazu treibt, Wälder abzuholzen, um fruchtbares Land zu gewinnen. Ökologisches Kompostieren reichert den Boden an und reduziert den Einsatz teurer chemischer Dünger, die außerdem Gewässer verunreinigen. Darüber hinaus kann der Wechsel zwischen verschiedenen Arten von Anbaukulturen – Pflanzen, die in der Nachsaison wachsen, um Bodenerosion zu verhindern – die Bodenqualität erheblich verbessern. Ein weiter Pluspunkt: Begrünung kann eine halbe Tonne CO2 pro einem halben Hektar speichern, so dass der Fruchtwechsel eine wirkungsvolle natürliche Klimalösung darstellt.
Wassererhaltung
Wassermangel ist eine der größten Krisen, mit der sich die Menschheit konfrontiert sieht. Laut UN werden bis 2050 mehr als 5 Milliarden Menschen unter Wasserknappheit leiden, aufgrund von Verunreinigung, Klimawandel und steigendem Bedarf. Bestimme Anbaukulturen, wie zum Beispiel Kaffee, sind nicht nur äußerst wasserintensiv, sie benötigen zusätzlich große Mengen an Frischwasser während ihrer Verarbeitung, das somit zu Abwasser wird und Flüsse und Bäche in der Nähe verunreinigen kann. Damit Landwirtschaft nachhaltiger wird, müssen Mittel und Wege gefunden werden, weniger Wasser zu verbrauchen und Wasserwege sauber zu halten. Eine praktische und kostengünstige Lösung ist es, natürliche Baumpuffer an Wasserwegen zu pflanzen. Die Bäume verhindern Erosion und den Eintritt verunreinigten Abwassers in Flüsse und Bäche (hatten wir schon erwähnt, dass Bäume Kohlenstoff speichern?).
Integrierte Unkraut- und Schädlingsbekämpfung
Verlässt man sich zu sehr auf Pflanzenschutzmittel und Herbizide, bringt dies hohe Risiken mit sich, und das nicht nur für Ökosysteme. Diese gefährlichen Chemikalien können auch die Gesundheit von BäuerInnen und ihren Familien beeinträchtigen. Als erste Maßnahme gilt also, die schädlichsten Chemikalien auszuschleichen und dann allmählich weiter zu reduzieren. Integrierte Unkraut- und Schädlingsbekämpfung beinhaltet, dass natürliche Feinde der verbreitetsten Schädlinge eingeführt werden, „selektive Unkrautvernichtung“, bei der nützliche Beikräuter den Boden bereichern können, und Unkraut zu jäten. Schädliches Unkraut kann von Hand entwurzelt und zu organischem Dünger verarbeitet werden. Auch wenn es zunächst mehr Arbeit bedeutet, reduzieren diese Methoden in vielen Fällen nachgewiesenermaßen auf lange Sicht die Kosten und steigern die Ernteerträge.
Geschlechtergerechtigkeit
Obwohl fast die Hälfte aller landwirtschaftlichen ArbeiterInnen Frauen sind, bleibt vielen aufgrund gesetzlicher oder kultureller Einschränkungen Besitz versagt. Häufig wird ihnen auch der Zugang zu Bildung verweigert und sie werden von Entscheidungsprozessen in Farmkooperativen ausgeschlossen. Studien zeigen jedoch, dass Geschlechtergerechtigkeit in bäuerlichen Gemeinschaften absolut entscheidend ist, um die Lebensmittelproduktion sicherzustellen und Armut zu bekämpfen.
Wenn Bäuerinnen den gleichen Zugang zu Ressourcen und Möglichkeiten bekommen, können sie laut Food and Agriculture Organization die Ernteerträge um bis zu 20 oder 30 Prozent steigern. Das Lohngefälle auszugleichen hat auch enorme Auswirkungen auf das Wohlergehen von Kindern, da Frauen ihre Einkommen mit höherer Wahrscheinlichkeit in die Gesundheit und Ausbildung ihrer Familien investieren. Da Frauen mehr als 40 Prozent der landwirtschaftlichen ArbeiterInnen in Niedriglohnländern stellen, ist Geschlechtergerechtigkeit ein entscheidender Faktor für eine gesunde, lebenswerte Zukunft.
Was können Unternehmen, Regierungen und VerbraucherInnen tun?
Wir können die Last der Verantwortung für eine nachhaltige Landwirtschaft nicht nur auf die BäuerInnen abwälzen. Die Einführung nachhaltigerer Methoden erfordert oft große Investitionen, also müssen Unternehmen und Regierungen bei verantwortlichen Unternehmenspraktiken und Strategien vorangehen. Auch VerbraucherInnen spielen dabei eine Rolle, indem sie bessere Entscheidungen treffen, welche Produkte sie kaufen. Es ist dringend an der Zeit, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten – und wir alle können dazu beitragen.