Eine nachhaltige Zukunft ist nur möglich, wenn Frauen und Mädchen die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln. 2015 haben die Vereinten Nationen die Dringlichkeit von Verbesserungen bei der Gleichstellung der Geschlechter – und deren Bedeutung für Nachhaltigkeit – anerkannt, indem sie sie als Ziel in die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung aufnahmen. Ein Bericht aus dem Jahr 2022 stellte jedoch für Ziel 5 (Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen) statt Fortschritten Rückschritte fest: Von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie waren insbesondere Frauen und Mädchen betroffen, wodurch die Welt bei der Umsetzung des Ziels weiter hinterherhinkt.
Wie die Klimakrise ist die Bekämpfung der Geschlechterungleichheit keine einfache Aufgabe. Es wird stetiges gemeinsames Handeln notwendig sein, um repressive Systeme zu verändern und Fortschritte bei den Frauenrechten zu erzielen.
Frauenrechte und nachhaltige Landwirtschaft
Aus jahrzehntelanger Erfahrung wissen wir bei der Rainforest Alliance, dass Frauen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene unzählige positive Beiträge leisten. Auch im Bereich der Lebensmittelversorgung. Inmitten der sich verschärfenden Klimakrise und drohender Lebensmittelknappheit ist die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft heute wichtiger denn je. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO könnten Frauen die Erträge ihrer landwirtschaftlichen Betriebe um 20 bis 30 Prozent steigern, wenn sie gleichen Zugang zu Ressourcen, Bildung, Finanzierung und Landrechten hätten. Die FAO hat zudem ermittelt, dass die nationale landwirtschaftliche Produktion dadurch um 2,5 bis 4 Prozent gesteigert werden könnte. Der Anteil der unterernährten Menschen könnte damit weltweit um 12 bis 17 Prozent sinken.1
Trotz ihrer Stärke und ihres Potenzials sind Frauen mit Blick auf Entscheidungen über ihren Körper, Landrechte, gerechte Arbeitsverteilung, Sicherheit, Chancengleichheit, Einkommen und Entscheidungsgewalt regelmäßig benachteiligt. Wir müssen bei diesen Faktoren ansetzen, wenn wir eine dauerhafte Veränderung bei der Gleichstellung der Geschlechter und den vielen damit zusammenhängenden Themen erreichen möchten.
Unser Ansatz zur Förderung der Geschlechtergleichstellung
Die Förderung von Frauen gehört zu unseren Schwerpunkten, weil Frauen die größte marginalisierte Geschlechtergruppe sind. Wir sind überzeugt, dass alle Geschlechter Gleichheit und Inklusion verdienen, und zwar einschließlich der vielen nicht binären ErzeugerInnen und ArbeiterInnen in der Landwirtschaft sowie aller Menschen, deren geschlechtliche Identität nicht in die konventionellen Kategorien Mann oder Frau einzuordnen ist. Wir setzen uns für geschlechterbezogene Inklusion in landwirtschaftlichen Betrieben und Unternehmen ein, damit alle Beteiligten der landwirtschaftlichen Lieferketten die gleichen Rechte und Chancen haben.
Unser Ansatz geht über die Befähigung von Frauen hinaus, indem wir die Ursachen der Geschlechterungleichheit aktiv untersuchen und bekämpfen. Wir helfen Frauen und Mädchen dabei, ihren eigenen Weg zu gehen, indem sie besseren Zugang zu Bildung sowie Weiterbildung im Bereich der Unternehmensführung erhalten, indem sie stärker in lokalen Entscheidungsgremien vertreten sind und indem wir Familien und die Vorsteher von Gemeinschaften dabei unterstützen, zu sensibilisieren und gemeinsame Visionen zu entwickeln. Davon profitieren nicht nur Frauen, sondern wir alle, unabhängig von unserem Geschlecht. Deshalb arbeiten wir mit Frauen, Männern, Mädchen und Jungen daran, die Dynamiken und Verhaltensweisen, die Ungleichheit verstärken, zu durchbrechen.
Nachstehend stellen wir fünf Beispiele dafür vor, wie wir weltweit mit unseren Bündnispartnern Frauenrechte in der nachhaltigen Landwirtschaft und -verwaltung fördern.
Klimaresilienz für Erzeugerinnen in Indonesien
Trotz eines boomenden nationalen und globalen Marktes hat die indonesische Kakaoproduktion in den vergangenen Jahren einen Rückgang erlebt. Gründe dafür waren wirtschaftliche Schwierigkeiten, alternde Bäume, der Klimawandel und das häufigere Auftreten von Schädlingsbefall und Krankheiten. Im Jahr 2017 führten die Rainforest Alliance und die lokale Nichtregierungsorganisation Kalimajari ein erfolgreiches Pilotprogramm in Jembrana auf Bali durch, dessen Ziel es war, kleinbäuerlichen Betriebe durch die Produktion von hochwertigem fermentiertem Kakao und einen besseren Zugang zu Spezilitätenmärkten zu einem höheren Einkommen zu verhelfen. Innerhalb weniger Jahre konnte das Einkommen von über 600 kleinbäuerlichen Betrieben verdoppelt und die Arbeitslosenquoten in den ländlichen Gegenden gesenkt werden. Zurzeit weiten wir das Programm aus: auf sechs weitere Kooperativen in den Provinzen Bali, Sulawesi und East Nusa Tenggara, wobei der Schwerpunkt auf Frauen und Jugendlichen liegt.
Die Produktivität wird in diesen Provinzen auch dadurch gehemmt, dass Frauen oftmals nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Auf Sulawesi stehen Frauen kulturelle Überzeugungen im Weg, nach denen die Zeit, die Frauen außerhalb ihres Zuhauses verbringen dürfen, begrenzt wird. Durch Weiterbildungsangebote für sowohl Frauen als auch Männer der Kooperativen hoffen wir, die schädlichen gesellschaftlichen Normen zu durchbrechen, mehr Frauen in Entscheiderrollen zu bringen und die beruflichen Kompetenzen von Frauen zu stärken. Mittels Schulungen zu klimabewusster Landwirtschaft, Betriebsleitung und Finanzkompetenz sowie durch den Aufbau von gemeinschaftsgeführten Baumschulen werden diese landwirtschaftlichen Betriebe klimaresilienter werden. Ferner wird das Projekt durch den Aufbau gemeinschaftsbasierter Betriebe, die Kakao, Früchte und Blumenprodukte verkaufen, eine bessere Lebensgrundlage für 700 Erzeugerinnen und 350 junge landwirtschaftliche Betriebe schaffen.
Frauen als Co-Managerinnen für Landschaften in Kamerun
In Kamerun bilden Frauen das Rückgrat der auf natürlichen Rohstoffen basierenden Wirtschaft. Sowohl beim Anbau von Pflanzen und der Viehhaltung als auch bei der Verarbeitung von Waldprodukten kommt ihnen eine entscheidende Rolle zu. Dennoch werden sie regelmäßig nicht in die Entscheidungsprozesse einbezogen, die sich unmittelbar auf ihre Lebensgrundlage und die Wälder, in denen sie leben, auswirken. Wir haben zwei spannende Landschaftspartnerschaften mit Frauen in ländlichen Gegenden von Kamerun angestoßen, um diesen Frauen in ihrer Führungsrolle in den Gemeinschaften und im Bereich der Nachhaltigkeit zu stärken.
In den westlichen Hochländern und im Dja-Reservat in der Region Süd besteht unser Ziel darin, die sozialwirtschaftliche Position von Frauen in ländlichen Gegenden zu verbessern, indem wir ihre Beteiligung am neu eingerichteten Ausschuss für Landschaftsverwaltung fördern und sie als Co-Managerinnen ihrer natürlichen Umgebung stärken. Darüber hinaus bietet die Rainforest Alliance Schulungen zur landwirtschaftlichen und geschäftlichen Praxis, zu Unternehmensführung und Zugang zu Märkten an. Wir werden außerdem für die Geschlechterthematik sensibilisieren, damit Männer und andere Mitglieder der Gemeinschaft Frauen in ihren neuen Rollen unterstützen können. Diese Bemühungen werden höhere Erträge und Einkommen für sowohl Frauen als auch die Gemeinschaft insgesamt hervorbringen.
Höhere Einkommen für eine bessere Menschenrechtslage an der Elfenbeinküste
Studien zeigen, dass Frauen in der Regel einen höheren Anteil ihres Einkommens für ihre Familie aufwenden als Männer. In vielerlei Hinsicht trägt das zum Schutz von Kindern bei, angefangen bei besserer gesundheitlicher Versorgung bis hin zu höheren Schulbesuchsquoten bei sowohl Mädchen als auch Jungen. Damit Frauen in ländlichen Gegenden ein höheres Einkommen erwirtschaften können, benötigen sie zunächst Zugang zu denselben Ressourcen, zu derselben Bildung und denselben Chancen wie Männer.
Im Osten und Südwesten der Elfenbeinküste haben wir gemeinsam mit der lokalen Nichtregierungsorganisation Orassur sogenannte Village Savings and Loan Associations (VSLA) – dorfbasierte Spar- und Darlehensvereinigungen – in 22 Kakao anbauenden Gemeinschaften eingerichtet. Diese Vereinigungen fördern unter ihren Mitgliedern – darunter von der Rainforest Alliance zertifizierte ErzeugerInnen und deren Gemeinschaften – Einkommen generierende Aktivitäten, wobei der Schwerpunkt auf Frauen liegt, die oftmals keinen unabhängigen Zugang zu Finanzierung haben. Die VSLA unterstützen die Mitglieder auch bei der Verwaltung eines Bildungsfonds, aus dem die Schulgebühren für die Kinder der Mitglieder finanziert werden.
Unternehmertum und berufliche Weiterentwicklung für Frauen in Mesoamerika
In Mesoamerika ist die lokale Wirtschaft weitgehend abhängig von Lieferketten, deren Grundlage natürliche Ressourcen sind. Obwohl Indigenen und Frauen in ländlichen Gegenden eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft zukommt, haben sie nur begrenzt Zugang zu Weiterbildung, werden für ihre Arbeit nicht angemessen entlohnt und sind in Erzeuger- und Arbeitervereinigungen nicht ausreichend vertreten. Die Folge: Frauen haben keinen Zugang zu Geschäftsdarlehen und anderen Hilfsmitteln.
Im Rahmen einer Partnerschaft mit neun lokalen und regionalen Organisationen in Mexiko, Guatemala und Honduras arbeitet die Rainforest Alliance an der Abschaffung dieser systemischen Ungleichheiten und unterstützt Frauen dabei, wirtschaftlich voranzukommen. Wir arbeiten mit ErzeugerInnen und UnternehmerInnen aller Geschlechter zusammen, um bestehende Normen und Vorurteile mittels Schulungen und Coachings zu durchbrechen. Seit dem Beginn unserer Arbeit im Jahr 2020 haben wir über 24.000 US$ an Saatgutkapital für einen Unternehmerinnenfonds gesammelt. Darüber hinaus haben 111 Frauen und Männer eine betriebswirtschaftliche Weiterbildung im Bereich Kakao und Kaffee erfolgreich abgeschlossen. Dabei wurden an junge Frauen aus Honduras sechs Stipendien für die Weiterbildung in der Kaffeebranche vergeben. Bis zum Jahr 2025 haben wir uns außerdem folgende Ziele gesetzt: die Schulung von 3.700 Frauen zugunsten einer besseren Position in der Arbeitswelt und eines höheren Einkommens, der Abschluss von mindestens 30 neuen Geschäftsvereinbarungen und die Vergabe von 1.000.000 US$ an Saatgutkapitalfinanzierung für Geschäftspläne von Frauen.
Verändertes Denken durch verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln
Wie niemand sonst können Unternehmen dafür sorgen, dass die Gleichstellung von Frauen eine Säule verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns ist. Beispielhaft dafür steht unsere Zusammenarbeit mit Unilever und Cargill zur Sensibilisierung von AusbilderInnen und Kooperativen von landwirtschaftlichen Betrieben zum Thema Frauenrechte. Wir haben den AusbilderInnen von Cargill ein Toolkit zum Thema Geschlecht zur Verfügung gestellt und sie zu dessen Nutzung geschult, sodass sie nun die Kooperativen bei der Thematisierung geschlechtsbezogener Aspekte im Zusammenhang mit unserem Zertifizierungsprogramm besser unterstützen können. Ausgestattet mit einem besseren Verständnis für das Thema können die AusbilderInnen ErzeugerInnen und Arbeitskräfte in der Landwirtschaft nun besser dabei unterstützen, die praktische Bedeutung von mehr Geschlechtergleichstellung in ihrer Kooperativen zu verstehen. Die AusbilderInnen begleiteten die Kooperativen außerdem bei der Einrichtung der nach unserem Standard vorgeschriebenen Geschlechterausschüsse bzw. der Ernennung einer verantwortlichen Person für die Sensibilisierung und Ansprache geschlechterbezogener Themen, die für die Mitglieder der Kooperative und deren Familien relevant sind.
Zwar läuft das Schulungsprogramm noch, doch die ersten Erfolge im Sinne von Änderungen in der Haltung und im Denken der Männer und Frauen der Kooperative sind bereits sichtbar. Kouadio Akissi Agnes, Töpferin und Ehefrau eines der Kooperativenmitglieder, berichtet von einem der Ergebnisse: „Dass mein Mann sich verändert hat, merke ich daran, dass er mir zuhört. Das hat er früher nicht getan. Heute hilft er mir im Haushalt.“
Die Gleichstellung der Geschlechter geht alle etwas an
Wir glauben, dass wir durch beharrliche, verstärkte gemeinsame Bemühungen zurück auf den richtigen Weg hin zu einer gerechteren und nachhaltigen Welt gelangen können. Alle Beteiligten können dabei einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie ihre Strategien, Arbeitsweisen und ihr Kaufverhalten ändern oder verbessern, um inklusiver zu werden. Wenn wir Frauen und Mädchen gemeinsam zu mehr Handlungsfähigkeit und besseren Chancen verhelfen, kommen wir gemeinsam weiter.
1 Welternährungsorganisation (FAO), The State of Food and Agriculture: Closing the Gender Gap for Development (Rom: FAO, 2011a).