Die Rainforest Alliance arbeitet an der Schnittstelle von Handel, Land- und Forstwirtschaft. Unser Ziel ist es, dass verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken eine Selbstverständlichkeit sind. Eines der wichtigsten Werkzeuge, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Zertifizierung. Denn im Rahmen unserer Zertifizierung bieten wir Methoden, Ressourcen und Fachwissen, die Unternehmen wiederum helfen, ihre verantwortungsbewussten Beschaffungsziele zu erreichen – und anhand derer sie ihr soziales, ökonomisches und ökologisches Engagement unterstreichen können.
Im Juni 2020 veröffentlicht die Rainforest Alliance ein neues Zertifizierungsprogramm und geht damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg, Zertifizierung neu zu gestalten. Wir arbeiten bereits seit dem Zusammenschluss von UTZ und der Rainforest Alliance im Jahre 2018 an einem neuen Zertifizierungsprogramm. Dieses beinhaltet einen neuen Standard für landwirtschaftliche Produkte und Lieferketten. Sowohl durch unseren Zusammenschluss als auch über das neue Zertifizierungsprogramm wollen wir erreichen: Zertifizierung soll noch mehr bewirken und allen Beteiligten – Menschen wie Unternehmen gleichermaßen – weltweit einen deutlichen Mehrwert bieten.
Was umfasst das neue Programm?
Das Zertifizierungsprogramm 2020 besteht aus zwei Kernbestandteilen, die eng miteinander verknüpft sind:
- Dem Standard für nachhaltige Landwirtschaft, der wiederum aus zwei Teilen besteht:
- Die Standards für eine nachhaltige Landwirtschaft resultieren aus den Anforderungen an Farmen/Farmgruppen: ErzeugerInnen auf den Farmen müssen sich an landwirtschaftliche und soziale Anforderungen halten und diese auch umsetzen.
- Die Anforderungen an Lieferketten beziehen sich auf die Lieferketten, deren einzelne Stationen ein landwirtschaftliches Produkt jeweils durchläuft. Die Anforderungen an Lieferketten beinhalten auch, den Umgang mit zertifizierten Produkten und welche verantwortungsvollen Geschäftspraktiken von Unternehmen erwartet und implementiert werden müssen.
- Den Dokumenten zur Qualitätssicherung (Assurance), die Folgendes umfassen:
- Die Zertifizierungsauflagen: Kriterien anhand derer AuditorInnen bewerten, ob die Farm- und Lieferkettenanforderungen eingehalten werden.
- Die Übergangsregelungen: Maßnahmen, um festzulegen, wie Nutzer der früheren Rainforest-Alliance- und UTZ-Systeme nun erfolgreich das neue Zertifizierungsprogramm implementieren können.
- Auditierungsauflagen: Kriterien, um sicherzustellen, dass die Zertifizierungsstellen (Certification Bodies, CBs), Rainforest-Alliance-Audits gleichbleibend in hoher Qualität durchführen;
- Anforderungen zur Autorisierung von Zertifizierungsstellen: Um festzulegen, welche Organisationen Audits nach dem neuen Rainforest-Alliance-Standard durchführen dürfen.
Diese genannten Bestandteile wurden anhand von Prinzipien zur Neugestaltung der Zertifizierung entwickelt. Ziel ist es, Zertifizierung deutlich kontextspezifischer als auch datenbasierter und risikobasierter zu gestalten.
Im Fokus: Anforderungen an Farmen
Der Programmbestandteil, der sich auf Farmen bezieht, ist in vier Themenbereiche unterteilt: (1) Betriebsführung, (2) landwirtschaftliche (Anbau-) Methoden, (3) Soziales und (4) Umwelt. Alle vier Themenbereiche enthalten Innovationen, die die Prinzipien der Neugestaltung von Zertifizierung unterstützen. Dazu gehören:
‚Intelligente Zähler‘
Einige Anforderungen werden mit intelligenten Zählern anstelle von binären Pass-/Fail-Kriterien gemessen. Intelligente Zähler fordern die ErzeugerInnen auf, ihre Fortschritte über einen Zeitverlauf zu messen und zu dokumentieren. Solche intelligenten Messgeräte werden jedoch immer zusätzlich zu den Pass/Fail-Kriterien in den verschiedenen Bereichen eingesetzt.
Kontextualisierung
Teile der neuen Zertifizierungsanforderungen sind spezifisch auf die individuelle (Ausgangs-) Situationen von Farmen angepasst. Beispiele hierfür sind der Einsatz von Lohnarbeit, die Größe der Farm und eine strengere Überprüfung, ob Anforderungen in Gebieten, die erfahrungsgemäß ein hohes Risiko von Menschenrechtsverletzungen aufweisen.
Umfassendes Management
Wir werden außerdem ein Instrument einführen, das es FarmgruppenleiterInnen ermöglicht KleinfarmerInnen besser zu verwalten und ihre individuelle Unternehmensentwicklung besser zu fördern. Ziel ist es, den ErzeugerInnen zu helfen, sich mehr auf die landwirtschaftlichen Praktiken zu konzentrieren anstatt auf die Erstellung von Bewirtschaftungsplänen. Alle Farmen erhalten zudem ein Instrument, um Risiken zu bewerten. So erhalten ErzeugerInnen einen Überblick darüber, welche Risiken es möglicherweise gefährden, dass sie die Zertifizierungsanforderungen umsetzen. Gleichzeitig soll das Instrument helfen, derartige Risiken durch die Erstellung von Managementplänen zu minimieren.
Existenzsichernder Lohn
Für mittlere und große Farmen werden wird ein Instrument einführen, dass die Lohnhöhe der jeweiligen ArbeiterInnen vergleicht. Gibt es eine Differenz zwischen dem aktuellen Lohnniveau und dem vorgeschriebenen existenzsichernden Lohnniveau, wird von den FarmbesitzerInnen verlangt, einen Verbesserungsplan zu entwickeln. Die Löhne der ArbeiterInnen sollen schrittweise erhöht werden, um die bestehende Lücke zu schließen.
‚Assess-and-Address‘
Um den vier zentralen Menschenrechtsfragen – Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung sowie Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz – zu begegnen, verfolgen wir einen neuen Ansatz. Dieser geht über einen reinen Verbotsansatz hinaus. Unser „Assess-and-Address“Ansatz konzentriert sich auf die Prävention der Probleme, die Einbeziehung der lokalen Gemeinschaften bei Menschenrechtsverletzungen, die Feststellung wo und wann Menschenrechtsverletzungen auftreten und die Verbesserung der Situation. Der neue Ansatz ermöglicht es uns, die Situation gemeinsam mit den ErzeugerInnen anzugehen und zu verbessern. Dieses Vorgehen funktioniert aus unserer Sicht effektiver als die Zertifizierung bei Verstößen sofort zu entziehen.
Abholzung
Die Abholzung von Wäldern sowie die Umwandlung bzw. anderweitige Nutzung (etwa für die Landwirtschaft) aller natürlichen Ökosysteme, einschließlich Feucht- und Torfgebieten, sind verboten. Mit der Festlegung eines Stichtags (2014) haben wir zudem einen klar messbaren Zeitpunkt festgelegt, ab welchem die Abholzung von Wäldern strikt verboten ist.
Produkte, die unter die Zertifizierungsanforderungen für Farmen fallen
Die Anforderungen an Farmen/Farmgruppen konzentrieren sich auf die wesentlichen Pflanzenkulturen, die derzeit im Rahmen der bestehenden Rainforest-Alliance- und UTZ-Zertifizierungsprogramme angebaut werden. Dazu gehören Baumkulturen (wie Kaffee, Kakao und Tee), Früchte (wie Bananen, Kokosnüsse und Ananas), Nüsse (wie Haselnüsse) und Schnittblumen. Die Rainforest Alliance arbeitet an einem gemeinsamen Zertifizierungsprogramm für Kräuter und Gewürze mit der Union for Ethical Biotrade.
Im Fokus: Anforderungen an Lieferketten
Nachhaltigkeit sollte nicht bei der Farmarbeit aufhören; zudem können ErzeugerInnen nicht die gesamte Verantwortung tragen, nachhaltiger zu produzieren. Die Verantwortung muss daher auf alle Akteure der Lieferkette verteilt werden. Mit dem Zertifizierungsprogramm 2020 der Rainforest Alliance wollen wir nicht nur Transparenz und verantwortungsvollere Geschäftspraktiken fördern. Unser Ziel ist es außerdem, dass Unternehmen innerhalb der Lieferkette gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen, Farmen bei ihren Nachhaltigkeitsverbesserungen zu unterstützen.
Die Zertifizierungsanforderungen an Lieferketten gelten für jedes Unternehmen in der Lieferkette, das ein zertifiziertes Produkt physisch verarbeitet und/oder rechtlich besitzt. Dies beginnt mit dem Erstkäufer, der ein Produkt von einem Zertifikatsinhaber bezieht – und auf ein zertifiziertes Produkt einen Rainforest-Alliance-Certified-Anspruch geltend machen möchte. Im Gegensatz zu den derzeitigen UTZ- und Rainforest-Alliance-Standards fallen Marken und Einzelhändler nun auch in den Geltungsbereich der Anforderungen an Lieferketten.
Um den Einbezug aller Akteure innerhalb einer Lieferkette zu gewährleisten, haben wir folgende Neuerungen in die Anforderungen an Lieferketten integriert:
Kontextualisierung
Entsprechend den Anforderungen an Farmen/Farmgruppen werden die neuen Anforderungen den Kontext berücksichtigen, in dem Unternehmen jeweils tätig sind. Dieses Vorgehen soll eine effektive Umsetzung der Zertifizierung und der Qualitätssicherung (Assurance) ermöglichen. Das neue Programm führt daher individuelle Risikobewertungen und Risikoprofile ein, um die Zertifizierungs- und Sicherheitsanforderungen (unternehmens-) spezifischer zu gestalten.
Geteilte Verantwortung
Derzeit sind die Risiken, Kosten und Vorteile einer nachhaltigeren Landwirtschaft nicht gleichmäßig auf die einzelnen Akteure globaler Lieferketten verteilt. Insbesondere die ErzeugerInnen tragen immer noch einen Großteil der Verantwortung. Außerdem hindern Schwachstellen und Ungleichgewichte innerhalb der Lieferkette sie daran, ihr Einkommen zu erhöhen und ihre Produkte noch nachhaltiger zu produzieren.
Mit dem neuen Zertifizierungsprogramm arbeiten wir deswegen daran, eine größere gemeinsame Verantwortung über die gesamte Lieferkette hinweg zu erzielen. Zukünftig werden wir von Unternehmen verlangen, in eine nachhaltigere Produktion zu investieren und diese zu belohnen. Unternehmen müssen künftig das sogenannte ‚Sustainability Differential’ in Form einer zusätzlichen Barzahlung an ErzeugerInnen leisten. Diese Barzahlung muss für ein zertifiziertes Produkt über dem Marktpreis liegen. Wir werden uns zudem dafür einsetzen, Investitionen von Farmen und Unternehmen in eine höhere Nachhaltigkeit noch transparenter zu gestalten.
Verantwortungsvolle Geschäftspraktiken
Wir erwarten von Unternehmen, dass sie langfristige Beziehungen zu Lieferanten unterhalten, die Investitionen in die Nachhaltigkeit fördern. Unternehmen sollen zudem eine aktive Rolle spielen, Erwartungen an die Nachhaltigkeitsbemühungen ihrer Lieferanten klar zu formulieren und sie bei der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien zu unterstützen.
Soziale und ökologische Anforderungen
Unternehmen in der Lieferkette, die eingestuft wurden, negative Auswirkungen auf soziale und ökologische Bedingungen zu haben, müssen mehrere soziale und ökologische Kriterien erfüllen. Beispiele sind Anforderungen an den Umgang mit Abwasser, Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz. Dies beinhaltet auch Aspekte wie faire Löhne, Verträge, Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz.
Zeitrahmen
Derzeit arbeiten wir an der Finalisierung der einzelnen Bestandteile unseres neuen Zertifizierungsprogramms. Um sicherzustellen, dass unsere Programme benutzerfreundlich gestaltet sind, führen wir seit März 2020 weitere Pilotprojekte und Tests durch. Zusätzlich haben wir bereits umfangreiches Feedback in die Gestaltung des Programms eingearbeitet. Das Feedback hatten wir 2019 nach zwei öffentlichen Konsultationen gesammelt.
Die neuen Programmdokumente werden im Juni 2020 nach der Genehmigung durch das Standard-Komitee veröffentlicht. Danach fokussieren wir uns darauf, das Programm mithilfe eines umfassenden globalen Schulungsprogramms weltweit auszurollen und die dazu gehörigen unterstützenden Technologiesysteme weiterzuentwickeln. Die Audits für das neue Programm beginnen ab Juni 2021.
Wir werden Sie auch weiterhin mit Neuigkeiten zu unserem neuen Zertifizierungsprogramm 2020 auf dem Laufenden halten!