Wie läuft die Einführung des neuen Rainforest Alliance Zertifizierungsprogramms 2020? Wir fragten bei Kyagalanyi Coffee nach, einem der führenden Kaffee-Exporteure in Uganda. Kyagalanyi gehört zu den 15 Pionieren des neuen Programms, denn sein Nachhaltigkeitsteam hat im Januar 2020 mit der Einführung des neuen Standards für nachhaltige Landwirtschaft und des dazugehörigen Zertifizierungsprozesses begonnen.
Im Januar 2021 erhielt Kyagalanyi als erste Organisation eine Gruppenzertifizierung nach dem neuen Standard.
Aufgrund seiner Rückmeldungen konnten wir unsere Anforderungen und Tools entsprechend anpassen und einen Einblick gewinnen, wie die Einführung in verschiedenen Kontexten funktioniert. Wir möchten sicherstellen, dass FarmerInnen und Unternehmen die Anforderungen verstehen und anwenden können und dass jede Anforderung auch wirklich die angestrebte Wirkung entfaltet.
Kyagalanyi im Probelauf
Kyagalanyi ist eine Tochtergesellschaft der Volcafe Group, eines der größten Kaffeeunternehmen der Welt. Seit 2008 hat das Unternehmen mehrere Nachhaltigkeitsprogramme in Uganda aufgelegt und sich dazu verpflichtet, den Lebensunterhalt von mehr als 25.000 UTZ- und/oder Rainforest Alliance-zertifizierten KaffeefarmerInnen zu verbessern. Im Rahmen eines seiner Programme (Mt. Elgon) führt Kyagalanyi das neue Rainforest Alliance-Zertifizierungsprogramm ein.
„Um uns auf das erste Audit unter dem neuen Standard vorzubereiten, haben wir uns zunächst auf die internen Inspektionen konzentriert“, berichtet Anneke Fermont, Nachhaltigkeitsmanagerin vor Ort bei Kyagalanyi.
„Unser Außendienst nutzt für seine Inspektionen eine digitale App. Wir sind den neuen Standard durchgegangen und haben geschaut, wo wir die App und die Art der Fragen, die wir unseren FarmerInnen auf dem Feld stellen, anpassen müssen. Nachdem die landwirtschaftlichen Betriebe anhand des neuen Standards mit der aktualisierten App inspiziert worden waren, analysierten wir die gesammelten Daten und nutzten die Ergebnisse, um uns Entwicklungsziele für die nächsten Jahre zu setzen. Beispielweise wenden derzeit 25 % der FarmerInnen Verjüngungsmethoden auf ihren landwirtschaftlichen Betrieben an. Wir möchten diese Zahl in den nächsten sechs Jahren auf 37 % erhöhen.“
Verbesserung: Erfahrungen in den Kontext einbetten
Im neuen Zertifizierungsprogramm liegt eine stärkere Betonung auf der kontinuierlichen Verbesserung, eine Herangehensweise, die laut Fermont bei Kyagalanyi für nützlich befunden wurde.
„Der neue Standard hat sich viel mehr zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess entwickelt statt einer Methode, bei der einfach nur Kästchen abgehakt werden. Denn bei kleinbäuerlichen Betrieben geht es nie um ein Ja oder Nein für die gesamte Kooperative. Bei Tausenden von FarmerInnen auf den unterschiedlichsten Entwicklungsstufen wäre es ziemlich unrealistisch, davon auszugehen, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb das Gesamtpaket innerhalb weniger Jahre implementiert. Es gibt immer Erstanwender, mittelschnelle Anwender und Nachzügler. Der neuen Herangehensweise liegt wirklich dieser kontinuierliche Verbesserungsprozess zugrunde.“
Fermont lobt auch, dass FarmerInnen im neuen Standard ihre eigenen Indikatoren wählen können, um so ihren allmählichen Fortschritt abzubilden.
„Wir haben ein Programm für Geschlechtergerechtigkeit, das Eheleute dazu ermuntert, ihre Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Unsere Gender-Indikatoren enthalten darum die Anzahl der Familien, die einen gemeinsamen Haushaltsplan erstellt haben. Andere ZertifikatsinhaberInnen konzentrieren sich vielleicht lieber darauf, die Frauenquote in der Belegschaft oder bei den FarmerInnen in ihrer Kooperative zu erhöhen. Sie können komplett unterschiedliche Indikatoren auswählen, die zu ihren Zielen passen.“
Verbesserung: Mehr Dialog und Interaktion entlang von Wertketten
Ein weiterer wesentlicher Aspekt des neuen Standards ist der Fokus auf geteilte Verantwortung, was Kyagalanyi als klaren Vorteil wertet.
„Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, nehme ich wahr, dass Röstereien sich mehr in der Wertkettenentwicklung engagieren und Programme für FarmerInnen unterstützen möchten. Der neue Standard versetzt Röstereien in die Lage, ihr Engagement sichtbarer zu machen.“
Anneke Fermont, Nachhaltigkeitsmanagerin vor Ort bei Kyagalanyi
Fermont fährt fort:
„Die neuen Anforderungen für Unternehmen, wie die Nachhaltigkeitsinvestitionen und die Zahlung eines Nachhaltigkeitsbonus, befördern den Dialog zwischen AkteurInnen der Lieferkette, vor allem zwischen verschiedenen Käuferebenen. Diese Anforderungen ermöglichen es außerdem sowohl ZertifikatsinhaberInnen als auch KäuferInnen, die unternommenen Anstrengungen auch angemessen darzustellen. ZertifikatsinhaberInnen können den Schwerpunkt auf die Themen setzen, die wesentlich für ihre Region und ihre landwirtschaftlichen Betriebe sind – wie die Auswirkungen auf das Klima oder Geschlechtergerechtigkeit. So werden bestimmte Arten von KäuferInnen angesprochen. Ich hoffe, die Plattform entwickelt sich zu einem Art Vermittler für Röstereien, Exporteure und ZertifikatsinhaberInnen und ermutigt Röstereien, weiter in Wertkettenentwicklung und Hilfsprogramme für FarmerInnen zu investieren oder ihre Investitionen sogar zu erhöhen.“
Herausforderung: Datenerhebung
Jeder Wandel bringt auch Herausforderungen mit sich. Für Kyagalanyi scheint eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Einführung des neuen Standards das Management von Polygondaten zu sein, einer Art räumlich-geographischer Daten, die die Grenzen eines Gebiets, das als landwirtschaftlicher Betrieb ausgewiesen ist, anzeigen. Die Erhebung von GPS-Punkten ist bereits eine Anforderung für zertifizierte landwirtschaftliche Betriebe, doch das Zertifizierungsprogramm 2020 verlangt die Erhebung von Polygondaten, die genauer sind. Die Erhebung dieser Daten und die Kombination mit bereits vorhandenen Geodaten ist eine wichtige Methode, um das Risiko von Entwaldung und Eingriffen in Schutzgebiete zu erfassen.
„Die Schwierigkeit bei den Polygondaten liegt meiner Meinung nach bei ihrer Erhebung und der Verifizierung ihrer Qualität“, erklärt Fermont. „Bei Tausenden von FarmerInnen, die jeweils bis zu fünf oder sechs weit auseinanderliegende Felder haben, nimmt die Erhebung von Polygondaten viel Zeit in Anspruch. Hinzu kommt, dass eine große Menge an Polygondaten in einer Datenbank verwaltet werden muss. Um überprüfen zu können, ob der Außendienst gute Arbeit leistet, braucht man eine Bestätigung, bevor die Daten an die Rainforest Alliance weitergegeben werden. Ich weiß noch nicht, wie ZertifikatsinhaberInnen das schaffen sollen.“
Wir nehmen diese Herausforderungen ernst und sehen im neuen Rainforest Alliance-Zertifizierungsprogramm einen allmählichen Übergang zu Polygondaten vor. Jedes Jahr sind mehr Polygondaten zu erheben. So haben ZertifikatsinhaberInnen genug Zeit, die Verfahren für die Datenerhebung kennenzulernen und zu verbessern. Außerdem wird, nachdem sie ihre Daten auf die Rainforest Alliance-Zertifizierungsplattform hochgeladen haben, die Qualität automatisch überprüft und bestätigt.
Hilfe beim digitalen Übergang
Auf die Frage, wo zusätzliche Unterstützung von der Rainforest Alliance erforderlich sei, erwähnt Anneke Fermont, dass viele ZertifikatsinhaberInnen Hilfe bei der Erhebung, Verwaltung, Analyse und Nutzung digitaler Daten brauchen könnten, um den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung zu erleichtern.
„Kyagalanyi nutzt seit 2014 ein digitales internes Inspektionssystem, doch für ZertifikatsinhaberInnen, die noch auf dem Papier arbeiten, ist das ein großer Schritt.“
Anneke Fermont, Nachhaltigkeitsmanagerin vor Ort bei Kyagalanyi
Um sich dieser Herausforderung zu stellen, entwickelt die Rainforest Alliance ein neues digitales Tool mit dem Namen Farm Intelligence App. Diese mobile und webbasierte App hat zum Ziel, die Datenerhebung für die Registrierung von Mitgliedern einer Kooperative und für interne Inspektionen zu erleichtern. Eine Pilotphase mit Feedback zur App wird bald mit ausgewählten FarmerInnen beginnen. Vorläufig ist die digitale Datenerhebung für die meisten ZertifikatsinhaberInnen nicht vorgeschrieben. Sie benötigen Zeit, um sich auf die Umstellung vorzubereiten.
Feedback führt zu Handeln
Das Feedback, das Kyagalanyi uns gegeben hat, hat bereits zu einigen Anpassungen im Standard geführt. Beispielsweise wiesen sie darauf hin, dass in Uganda FarmerInnen für ihre Altersversorgung Bäume pflanzen, um sie später zu ernten. Das würde bedeuten, dass ein striktes und ausnahmsloses Verbot von Baumfällungen im Standard dazu führen würde, dass diese Farmerinnen überhaupt keine Bäume mehr anpflanzen, da sie diese nicht mehr ernten könnten. Das wäre kontraproduktiv für unsere Ziele der Aufforstung und Artenvielfalt. Darum haben wir diese Anforderung vor der Veröffentlichung des Standards 2020 angepasst. Die neuen Anforderungen leiten FarmerInnen dabei an, Bäume nachhaltig zu pflanzen und zu ernten.
Was kommt als Nächstes?
Bei der Einführung des Zertifizierungsprogramms 2020 sammeln wir weiter Feedback aus der Pilotphase sowie von anderen FarmerInnen und Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Im Januar 2021 öffnet die Registrierung auf unserer Zertifizierungsplattform für FarmerInnen und Unternehmen. Audits unter den neuen Anforderungen beginnen im Juli 2021. Erfahren Sie mehr über den Zeitrahmen für den Übergang zum Zertifizierungsprogramm 2020.
Alle Bilder (außer Polygon) von Kyagalanyi Coffee